Für mich kommt der Vorschlag von Innenminister De Maizière völlig überraschend. Zum einen haben die vorherigen Innenminister das Wort "Schutz" immer nur so verstanden, dass die Industrie und der Staat vor uns Bürgern geschützt werden müssen, zum anderen ist das ja schon so alt. Aber ich freue mich, weil damit Bewegung in die festgefahrene Diskussion kommt. Aber zunächst, was ist denn der Vorschlag?
Einmal im Jahr, so die Idee, sollen sie jeden Betroffenen per Brief darüber aufklären: was wurde über ihn gespeichert, was wurde daraus an neuen Informationen generiert, beispielsweise eine Bewertung der Kreditwürdigkeit und an wen und zu welchem Zweck wurden die Daten weitergegeben.
De Maizière schreibt: "Auch wenn hier der Teufel im Detail steckt, ist der Vorschlag prüfenswert. Das Bundesinnenministerium wird daher Vertreter der Netz-Community, des Datenschutzes und der Wirtschaft einladen, gemeinsam ein Konzept für einen solchen Datenbrief zu entwickeln und dieses in einem Pilotprojekt ergebnisoffen zu testen."
Bei Golem.de gibt es mehr Details.
Komischerweise will die FDP will das lieber nicht. Nach deren Vorstellungen soll man sich als Benutzer darüber Gedanken machen, wer die eigenen Daten denn haben könnte und dann selber dort nachfragen. Blöd nur, dass durch Adresshandel auch Firmen in den Besitz meiner Daten kommen, die ich niemals vermuten würde. Mir leuchtet nicht ein, wie die FDP sich das vorstellt. Soll ich einmal im Jahr bei allen möglichen Firmen nachfragen? Das ist ja genau das Problem an den aktuellen Lösungen: Ich habe keine reelle Chance mitzubekommen, bei wem was über mich gespeichert wird.
Zu wissen, was die über mich haben, ist auf jeden Fall interessant. In dem Artikel Was Microsoft alles der Polizei verrät, bekommt man einen Vorgeschmack, was die Firmen so alles über einen speichern…
Ja, da wirst du dich aber wundern. Jedes Unternehmen bei dem du in den letzten 10 Jahren bestellt hat, hat zumindest folgende Daten über dich gespeichert:
Name und Adresse, Bestellte Artikel, ggf. Bankverbindung.
Und von jedem erhälst du dann einen Brief. Auch von deinem Arzt, und deinem Krankenhaus. Natürlich erhälst du den Brief nur wenn du nicht umgezogen bist. Ansonsten erhält ihn unter Umständen niemand und er geht als unzustellbar zurück. Außer man heißt zum Beispiel Müller und der Nachmieter oder eine andere Person die dort inzwischen wohnt heißt auch Müller. Dann erhält diese Person den Datenbrief. Und die Daten von Herrn Müller: Seine Bankverbindung, seinen Auszug aus dem Verkehrsregister in Flensburg, eine detaillierte Übersicht der Filme die dieser auf pornogucken24 runtergeladen hat, die ärztlichen Befunde der letzten Jahre und alle anderen Daten von all den Firmen und Behörden die dessen neue Adresse nicht haben.
Gut, es könnte schlimmer kommen: Herr Müller hat nämlich vor zwei Jahren geheiratet, ist ständig auf Geschäftsreise und in seiner Abwesenheit bearbeitet seine Ehefrau die Post. Hätte die die Liste von pornogucken24 in die Finger bekommen, hätte sie sich vielleicht scheiden lassen.
Insofern geile Idee das ganze: Anstatt die Daten dort wo sie gespeichert sind in Frieden ruhen zu lassen, verschicken wir die persönlichsten Daten der Bundesbürger zukünftig durch die Republik.
Hallo Llamaz,
das ist ein guter Punkt. Durch den Versand werden weitere Löcher geöffnet. Aber was ist die Alternative? So wie es ist, kann es in meinen Augen auch nicht weiter gehen. Wenn ich als Bürger erst mal alle mühsam abklappern muss, dann ist das ebenso unpraktikabel. Da ist mir der Datenbrief schon lieber. Möglicherweise in der Form, wie Frank Rieger in dem erwähnten Golem-Artikel zitiert wird?
Viele Grüße
Thomas
Ein abgesichertes Netzportal – ich krieg die Krise. Ist denn die ganze Welt verrückt geworden?
Da gibts dann Datenbriefdienstleister – die die Infrastruktur dafür bereitstellen. Da können dann die Unternehmen die Daten zentral hinmelden und die Bürger die gesammelten Daten dann abrufen, oder wie? Alle Daten der letzten Jahre die bisher nur irgendwo rumgeammeln zentral gespeichert.
Meiner Meinung nach ist dieser Datenbrief eine Schnappsidee. Denn 99% Prozent der Unternehmer kommen mit der Speicherung der Daten lediglich ihrer gesetzlichen Aufbewahrungspflicht nach. Die Daten liegen tot da und werden nicht genutzt. Das einzige was der Datenbrief bringt ist, daß die 99% der Unternehmen die bisher gar nichts mit den Daten anfangen, diese aufbereiten müssen, an andere Stellen übertragen müssen – damit diese dann die Benachrichtigung der Bürger übernehmen.
Wieso soll ich von Unternehmen mit denen ich gar nichts mehr zu tun haben will Post bekommen? Welcher Pornokonsument will denn, daß ihm die Unternehmen bei denen er Kunde ist die – mit Verlaub – gesammelten Wichsprotokolle der letzten 10 Jahre nach Hause schickt? Wo womöglich noch die Frau die Post öffnet. Oder diese an eine zentrale Datenbriefversandsammelstelle überträgt.
Im übrigen: Von wieviel Prozent der Unternehmen bekommt man Werbung? Ich bestelle wie blöd im Internet und alles was bei mir reinflatter ist alle viertel Jahre ein Werbebrief von Easycredit. Und Werbemails bekomme ich keine einzige aus Deutschland, die kommen alle aus dem Ausland. Wenn ich den Verdacht habe daß jemand mit meinen Daten Schindluder treibt – dann muss ich dort kostenlos Auskunft bekommen können. Aber auf keinen Fall will ich, daß alle Unternehmen mit denen ich in den letzen Jahren zu tun hatte plötzlich aktiv werden und meine gesammelten Schandtaten der letzen Jahre in der Gegend rumsenden.
Und was ist eigentlich mit meinem Recht auf informelle Selbstbestimmung? Ich muss doch wohl selbst entscheiden können ob ich Datenbriefe bekommen will oder nicht.
Hallo Llamaz,
die Freiwilligkeit sollte keine große Hürde sein. Ich nehme wahr, dass es Dir sehr wichtig ist, dass die Daten nicht irgendwo für Missbrauch zugänglich erreichbar sind. Ich schätze Dich so ein, dass Du Deine persönlichen Daten nur sparsam irgendwo angibst. Wenn das so ist, dann ist die Einstellung ja schon mal die gleiche.
Dein Gedanke, dass das jeder selber entscheiden können soll, gefallt mir gut. Wenn Du für die praktische Umsetzung eine gute Idee hast, dann kannst Du die ja mal an Frank Rieger schicken.
Viele Grüße
Thomas