Ich habe aus aktuellen Anlass mal bei Google nach Kundenorientierung und "deutsche Bahn" gesucht. Aus nahe liegenden Gründen bekam ich nicht viele Treffer und auf den Bahn-Webseiten war nur ein einziger Treffer (auf Platz 17). Da schrieben sie in der Personalstrategie 2007 (Hervorhebung von mir, mehr dazu unten):
Sowohl im nationalen Kerngeschäft als auch international muss sich der DB-Konzern einem wachsenden Wettbewerb und hohen Kundenanforderungen stellen. Ein Grund mehr, die Erfolgsfaktoren Qualität und Kundenorientierung weiter kontinuierlich zu stärken – einerseits durch das Angebot geschlossener Mobilitätsketten andererseits durch Berücksichtigung individueller Kundenbedürfnisse und -wünsche.
Mein jüngstes Erlebnis zeigt, dass sie noch einen weiten Weg haben bis sie echte Kundenorientierung erreicht haben. Gestern auf der Heimfahrt fiel mir ein Mann auf, der gleich nach dem Einsteigen aufmerksam durch die Waggons ging und den Schaffner suchte, als der Zug schon zum nächsten Bahnhof weiterfuhr. Ähnliche Situationen sieht man als Pendler recht häufig und ich war gespannt, wie es weiter ging.
Er fand ihn am anderen Ende meines Waggons als wir in die nächste Station einfuhren. Sie sprachen eine ganze Weile, keine Ahnung was sie sagten. Der Schaffner erhob schließlich die Stimme, so dass ich ihn – trotz der Distanz – gut verstehen konnte: "Guter Mann, ich habe es ihnen ganz freundlich erklärt. Entweder sie steigen jetzt aus oder ich hole die Polizei, dann werden sie hier rausgeschleppt." Da wurde auch der Mann laut, sodass ich mitbekam, worum es ging: Der Mann hatte keinen Fahrschein gelöst und sollte jetzt aussteigen. Der Schaffner wollte ihm keine Fahrkarte verkaufen, obwohl der Automat an der Station des Mannes kaputt war. Er schrie dann den Kunden an, er solle hier an diesem Bahnhof aussteigen. Der Kunde sei sowieso schon schwarz gefahren, er solle hier eine Fahrkarte lösen und dann den nächsten Zug nehmen. Es würde ja schließlich keine zwei Stunden dauern bis der nächste Zug käme, sondern bloß 40 Minuten.
Wir hatten etwas mehr ungeplanten Aufenthalt an dieser Station (der Fürther Bahnhof), deswegen hätte der Mann es letztlich vielleicht sogar geschafft die Karte zu lösen und wieder einzusteigen, wenn die Beiden nicht so lange gestritten hätten. Aber der Kunde wollte nicht nachgeben, sondern sicher mit dem Zug fahren und deswegen eine Fahrkarte im Zug kaufen, was angeblich in diesem Falle möglich sei. Der Schaffner war aber ebenso hartnäckig. Nach etwa 5 Minuten Streit setze sich der Schaffner durch, er verkaufte dem Kunden nichts. Das wäre wohl so eine "hohe Kundenanforderung gewesen, wie sie im oben genannten Bericht angesprochen wird. Möglicherweise war der Schaffner sogar im Recht, aber dennoch flogen ihm die Sympathien der anderen Kunden nicht entgegen, eher im Gegenteil: während der Weiterfahrt diskutierten andere Kunden mit ihm weiter.
Ein paar meiner Kollegen sind überzeugte Autofahrer. Wenn sie dann doch mal mit dem Zug fahren, hat ausgerechnet der gerade Verspätung, bleibt auf der Strecke stehen, um sich von einem Eilzug überholen zu lassen oder irgendetwas anderes ist ungewöhnlich. Das bietet genug Stoff für etliche Tischgespräche. Für seltene Zugfahrer ist die Fahrt aufregend und alles Neuland: angefangen vom Kauf der Fahrkarte bis zum dreimaligen Nachfragen, ob das auch wirklich der richtige Zug ist in dem man sitzt. Ganz selten höre ich von Gelegenheitsfahrern, dass die Fahrt angenehm war und sie das nächste Mal wieder einen Zug nehmen würden.
Ich vermute mal: Keiner der Gelegenheitsfahrer in diesem Waggon – das hat sicher jeder mitbekommen – möchte in so eine Situation kommen. Wenn sie die Wahl haben, dann möchten sie wohl eher kein Bittsteller bei der Bahn sein… und nehmen nächstes Mal doch wieder das Auto, oder?