Früher sagte man "er arbeitete ununterbrochen", um deutlich zu machen, dass jemand an einer wichtigen Sache dran war und seine ganze Energie dafür aufwendete. Im Spiegel-Artikel "E-Mail-Flut und Handy-Terror: Bürowahnsinn kostet Unternehmen Milliarden" werden die Ergebnisse von US-Wissenschaftlern vorgestellt, die das Arbeitsleben von Büro-Mitarbeitern untersuchten:
Die Realität sei noch "sehr viel schlimmer, als ich es mir je vorgestellt hätte", sagte die Wissenschaftlerin danach der "New York Times" zufolge. Die Zeit, die ihre Versuchsobjekte ungestört an einer Arbeit sitzen konnten, bevor sie abgelenkt wurden, betrug im Durchschnitt gerade einmal elf Minuten. Nach der Unterbrechung beschäftigten sie sich zunächst mit mehreren anderen Themen. Erst nach 25 Minuten kehrten sie zu ihrer ursprünglichen Aufgabe zurück.
In den letzten Tagen ist das auch bei mir wieder ganz schlimm. Wobei die Telefonanrufe am stressigsten sind. Die Mails kann ich ja noch lesen wann es mir passt, aber nicht ans Telefon zu geben, wird in der Regel nicht toleriert. Deswegen sind die Thesen der Wissenschaftler für mich nicht wirklich neu. (Siehe auch "Sinnlose Mails")
Neu ist für mich, dass die Folgen davon – die Konzentrationsschwächen – auch schon als Krankheit gelten:
Die Konzentrationsschwäche ist im Gegenteil zum bekannten Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom nicht genetisch bedingt, sondern schlicht Folge von zu viel Hektik. Wer zu vielen Informationen auf einmal ausgesetzt ist und alles auf einmal erledigen will, kann sich irgendwann gar nicht mehr konzentrieren, wird aggressiv und unproduktiv.
Mir geht es tatsächlich auch so, dass ich nach einer gewissen Anzahl Unterbrechungen ganz genervt und destruktiv bin. Es fällt mir dann schwer mich wieder an die Aufgabe zu setzen. Aber was kann man schon machen, wenn Leute anrufen und um Hilfe bitten?
Ich probierte eine Zeit lang mal mir selber einen Termin einzutragen, die Mailbox einzuschalten und dann einfach mal ganz ungestört arbeiten zu können. Leider machten mir in jedem dieser Termine die Kollegen einen Strich durch die Rechnung. Es lief dann meist so, dass die Anrufer es bei einem anderen Kollegen aus meiner Gruppe versuchten. Die sagten natürlich, dass ich aber doch am Platz sei und stellten die Anrufer zu mir durch (Anrufer aus meiner Gruppe werden nicht auf die Mailbox weitergeleitet). Die Anrufer waren erbost und fanden ihr Anliegen viel wichtiger als die Terminsache, die ich gerade erledigte und deswegen nicht gestört werden wollte.
Wichtig ist einfach subjektiv. Seitdem mache ich das nicht mehr. Ich habe schon mal überlegt, dass ich mich ja einfach mit meinem Laptop in einen leeren Besprechungsraum oder die Kantine setzen könnte. Immerhin habe ich jetzt einen WLAN-Zugang zum Firmennetz.
Vielleicht probiere ich das irgendwann mal aus…
Mir wurde einmal
im Anschluß an ein Bewerbungsgespräch
ein Arbeitsplatz in einem Großraumbüro
mit Cubicles angeboten.
Und tschüss … [ 😉 ]
Erich Latniak, Anja Gerlmaier
Zwischen Innovation und alltäglichem Kleinkrieg
Zur Belastungssituation von IT-Beschäftigten
http://iat-info.iatge.de/iat-report/2006/report2006-04.html
Fragebogen zur "inneren Kündigung" (fm)
c't 18/07, Seite 54
http://www.innerekuendigung.de/