Im Harvard-Bussiness-Manager Juli/2007 wird eine interessante Frage aufgeworfen. Am Beispiel einer fiktiven Fallstudie wird aus Sicht einer Firma eine Bewerbung einer vielversprechenden Kandidatin für einen wichtigen Posten in der Firma diskutiert. Dabei wird auch eine Auswertung der Person mittels Google durchgeführt. Natürlich werden potentiell belastende Dinge gefunden. In dem Beispiel ist es ja sogar noch positiv, weil die Bewerberin als Studentin sehr engagiert für die Menschenrechte eintrat und sich wegen Ihren chinesischen Sprach- und Landeskenntnissen sehr als Kritikerin des chinesischen Regimes hervor tat. Und in der fraglichen Position wäre sie für den Aufbau der neuen Niederlassung in Shanghai verantwortlich… Wie soll sich die Firma verhalten?
Die Experten antworten meist aus Sicht der Firma: Ja, es ist rechtmäßig eine Internetrecherche durchzuführen. Der Hintergrund der Kandidatin kann sich zu einem PR-Albtraum für die Firma entwickeln. In China ist es wichtig, dass leitende Angestellte älter sind, usw.
Immerhin wurde auch eine Bloggerin als "Expertin" hinzugezogen, die auf die Sicht der Kandidatin eingeht: Sie solle an Ihrem Internet-Profil arbeiten.
Heutzutage ist es für engagierte Menschen so gut wie unmöglich, dass man nichts über ihn/sie im Internet findet. Wenn dort nichts steht, dann bedeutet das vermutlich, dass er/sie sich sonst nirgends engagiert hat. Jeder Kanickelzuchtverein stellt mittlerweile seine Vereinszeitung online…
Wenn man also nichts im Internet findet, dann ist fast schon verdächtig. Wenn die Expertin Danah M. Boyd, sie selber schreibt seit 10 Jahren aktiv in Blogs, von aktiver Gestaltung spricht, dann meint sie damit, man soll sein "unvermeidliches" Bild aktiv durch eigene Äußerungen ergänzen. Sie rät der Kandidatin dazu im Internet Ihren Sinneswandel zu schildern: Wie wurde aus der Regimegegnerin plötzlich jemand, der dort arbeiten will? Auf diese Weise kann man seine eigenen Gedanken und Meinungen zum Ausdruck bringen. Der Auswerter ist dann nicht auf die Berichte Dritter angewiesen.
Jede meiner Äußerung in Foren oder im Usenet (ich glaube ich bin seit 1990 im Usenet unterwegs) wird vermutlich noch in 50 Jahren bei Google abrufbar sein. Den heutigen Teenagern dürfte das nicht klar oder – wenn doch – vermutlich sogar egal sein. Meist denken die Kids sogar, dass sie durch einen Fantasienamen vor dem Auffinden geschützt seien.
Ich sehe es ähnlich wie Frau Boyd: Wer als Arbeitgeber zukünftig nach einer Internetrecherche nur die einstellt, die nie auffällig wurden, der dürfte bald einen Haufen Langeweiler beisammen haben. Dennoch macht man es als Bewerber einer Firma unnötig schwer, wenn man bspw. nur als Nörgler oder Quengler in Beschwerdeforen auftaucht.