Wie neulich versprochen skizziere ich an dieser Stelle mal, wie ein Review bei uns abläuft. Im Wesentlichen geht es mir um das Review von Konzepten, also entweder dem Fachkonzept, dass die fachlichen Abläufe, Oberflächen und Anforderungen beschreibt, oder dem Systemkonzept, dass aufbauend auf dem Fachkonzept die geplante technische Umsetzung beschreibt.
Das Ziel ist es das behandelte Thema von allen Seiten und mit allen Beteiligten wasserdicht und verbindlich abzustimmen. Damit soll verhindert werden, dass erst in späten Phasen gravierende Probleme, Architekturschwächen oder Unverträglichkeiten zu anderen Projekten festgestellt werden.
Alle relevanten Bedenken/Probleme/Ideen/Einwände sollen rechtzeitig auf den Tisch gebracht werden, die Beiträge aller Beteiligten sollen berücksichtigt werden. Das klappt tatsächlich und ist deswegen wirklich wertvoll!
So läuft das bei uns ab:
Der oder die Autoren suchen sich einen neutralen Moderator und möglichst viele kompetente Gutachter (wir nennen sie "Inspektoren"). Ich persönlich habe erlebt, dass 8 bis 10 Leute OK ist, mehr werden mühsam, sind aber noch im Rahmen. Die Auswahl sollte so sein, dass aus jedem anderen direkt betroffenen Team eine dabei ist, nur notfalls 2. Die Gutachter bekommen das Konzept etwa 2 Wochen vor dem Termin zum Durcharbeiten und können das in deren Teams durchgehen, falls es dort Diskussionsbedarf gibt. Der eine nimmt dann alle Anregungen stellvertretend mit.
An den Termin selber wird das Konzept Seite für Seite durchgegangen: "Hat jemand eine Frage oder eine Anregung zu den Themen dieser Seite?" Dann kann jeder seine Punkte nennen. Es wird nicht darüber diskutiert, nur nachgefragt wie es gemeint ist und ggf. weitere Aspekte dafür oder dagegen gesammelt. An dem Tag wird nichts entschieden, nur gesammelt. Der Moderator schreibt alles mit und verschickt es anschließend als Protokoll an die Anwesenden.
Wenn völlig grundsätzliche Einwände oder Probleme entdeckt wurden, dann werden die Autoren beauftragt das Konzept zu überarbeiten und ein neues Review zu machen. Das passiert aber total selten und die Entscheidung darüber treffen eigentlich die Autoren selber. Meist recht es, wenn die gefundenen Schwachstellen eingearbeitet und das Konzept punktuell überarbeitet wird. In dem Fall werden am Ende ein oder besser zwei Freiwillige bestimmt (meist die mit den meisten Kritikpunkten ;-)), die später das überarbeitete Konzept "nachinspizieren".
Die Autoren gehen danach jedem der vorgebrachten Punkte nach und diskutieren sie jeweils im eigenen Team. In der Regel sind die Einwände sehr fundiert, berechtigt und wertvoll.Deswegen ist man auf den einen Seite meistens froh, dass die Punkte so frühzeitig aufgedeckt wurden. Manchmal werden die eigenen Punkte auch durch weitere Argumente untermauert. Aber wegen der "Masse" an Kritik muss man auf der anderen Seite sehr aufpassen, dass man den Blick auf das Gute am eigenen Konzept verliert (und damit auch den Spaß daran).
Das Team entscheidet selber, wie es auf die Einwände eingeht. Die Beiträge der Inspektoren sind nur Vorschläge. Zu jeder Anregung muss man allerdings genau dokumentieren, wie und warum man so man entschieden hat. Diesen Bericht und das überarbeitete Konzept bekommen dann die Nachinspektoren vorgelegt. Sie beurteilen, ob alle Punkte die notwendige Würdigung bekommen haben und ob die Entscheidungen nachvollziehbar sind. Wenn nicht, schlagen sie Nacharbeiten vor. Auch damit müssen sich die Autoren dann noch mal in der genannten Weise befassen. Danach ist aber Schluss…
😉
Am Ende bekommen alle Teilnehmer das überarbeitete Konzept und den Bericht über die Entscheidungen auf die Reviewbeiträge zugeschickt. Dann haben die betroffenen Teams noch mal eine Chance die getroffenen Entscheidungen zu kritisieren und den Dialog zu suchen.
Für die Autoren kann das ein unglaublicher Stress sein, für mich war es das jedenfalls mehrfach. Aber unter dem Strich hat es sich bisher noch immer gelohnt. Zu einem umfangreichen Fachkonzepte von mir, dass sich wie ein Querschnittsthema durch viele Teams durchzog, kamen mal über hundert Anregungen, Ergänzungen und Einwände. Und jedem davon musste ich nachgehen. 🙁
Immerhin gingen fast alle davon auch ins Konzept ein und haben es damit fast "unbreakable" gemacht. Aber zunächst mal hat es mir gereicht…
😉
Welch ein Aufwand? Stimmt, aber an anderer Stelle wird noch viel größerer Aufwand gespart. Mit so einem Review wäre der Shutdown-Dialog von Vista in längstens 3 Monaten abgestimmt und implementiert gewesen. Vermutlich schneller. Und besser wäre er bestimmt auch geworden. Damit vermeidet man ganz gezielt die Ehrenrunden, wenn die Dinge mit mehreren Teams abgestimmt werden müssen. Dennoch wird jeder Betroffene involviert. Dementsprechend erhöht sich auch die Akzeptanz bei den einbezogenen Teams. Deswegen ist es nur vordergründig aufwändiger…